Sensationsfund im Stift Zwettl: Waldviertler Teichwirtschaft über ein Jahrhundert älter als bisher gedacht?
Im Rahmen von wissenschaftlichen Recherchearbeiten des NÖ Teichwirteverbandes stieß man auf Hinweise zu frühesten Formen der Teichwirtschaft in Niederösterreich.

Im Rahmen von wissenschaftlichen Recherchearbeiten des NÖ Teichwirteverbandes stieß man in der Zwettler Stiftsbibliothek per Zufall auf bisher unbeachtete Hinweise zu frühesten Formen der Teichwirtschaft in Niederösterreich. Die bislang erste Teichnennung aus der Zeit um 1280 rückte damit zeitlich gesehen um über ein Jahrhundert weiter nach „vorne“ in die Mitte des 12. Jahrhunderts. Eine Sonderschriftenreihe über die „Waldviertler Karpfenteichwirtschaft“ berichtet erstmals darüber.
Der NÖ Teichwirteverband war zuletzt intensiv damit beschäftigt, die von der Welternährungsorganisation (FAO) geforderten Kriterien für die Auszeichnung der Waldviertler Karpfenteichwirtschaft als GIAHS – Globally Important Agricultural Heritage System – auszuarbeiten (NÖN berichtete dazu online). Frei übersetzt kann GIAHS als „erhaltenswertes landwirtschaftliches Produktionssystem von globaler Bedeutung“ bezeichnet werden. Die „globale Bedeutung“ ist dabei zu auszulegen, dass es sich um ein Vorzeigebeispiel auch für andere Länder handelt. Bewertet wird dabei das Gesamtsystem aus Landwirtschaft, Ökologie, Geschichte und Kultur und es soll durch nachhaltiges Management und angepassten Schutz langfristig erhalten werden.
„Zur Dokumentation der geschichtlichen Aspekte der Teichwirtschaft habe ich eine Anfrage an den Zwettler Stiftsbibliothekar Dr. Andreas Gamerith gestellt. Ich ersuchte ihn, die bisher in der Literatur vielfach genannte erste Teichnennung beim Wirtschaftshof der Zisterzienser in Ratschenhof mit Bezug auf das Jahr 1280 näher zu untersuchen“, so Leo Kirchmaier, der federführend als Verbandsgeschäftsführer an der Einreichung beteiligt war. „Dabei ergaben sich Hinweise auf eine möglicherweise weit ins 12. Jahrhundert zurückreichende Tradition der Fischzucht im Waldviertel“ schildert Kirchmaier begeistert weiter. Ausgerechnet die berühmte „Bärenhaut“, das Stiftungsbuch des Klosters Zwettl aus dem frühen 14. Jahrhundert, könnte dafür Belege liefern. Bei der Schilderung eines Konflikts mit dem Pfarrer Pilgrim von Zwettl, einem Bruder des Stifters Hadmar I. von Kuenring, zwischen 1141 bis 1144, werden Streitigkeiten um die Grangie Ratschenhof näher beleuchtet. Pilgrim hatte dem ersten Abt Hermann vorgeschlagen, ihm Güter des Klosters zum besseren Ausbau auf Lebenszeit zu überlassen. Den Ratschenhof versprach er nach allen Maßen großzügig auszubauen, hinsichtlich der Obstgärten, der Bienenstöcke – und nicht zuletzt hinsichtlich der „Vivarien“. Hinter diesem lateinischen Wort verbirgt sich die Urform des deutschen Wortes „Weiher“ und damit möglicherweise der Hinweis auf eine der ältesten Formen von Teichen in Mitteleuropa. „Aus Südböhmen tauchen erste Teichnennungen in Urkunden aus den Jahren 1255 und 1339 auf – im Waldviertel können wir jetzt eventuell fast hundert Jahre früher künstlich angelegte Teiche nachweisen“ freut sich Kirchmaier über die Recherchearbeit. Auch die konkrete Stelle im Gründungsbuch, an der die Teiche erwähnt werden, ist von Bedeutung, „denn die Tatsache, dass sie unmittelbar der Gründungslegende mit dem Umritt folgt, zeigt, dass es sich um eine Angelegenheit von höchster Wichtigkeit handelt“ so Gamerith über die handschriftlichen Aufzeichnungen in Latein. Die Teiche am Ratschenhof werden übrigens nach wie vor vom Zisterzienserstift Zwettl bewirtschaftet und sind damit Zeugen einer knapp 900-jährigen Geschichte.

Der NÖ Teichwirteverband hat nun im Eigenverlag eine Sonderschriftenreihe über die Waldviertler Karpfenteichwirtschaft herausgebracht, die auf 100 Seiten mit zahlreichen Bildern und Literaturangaben alle Aspekte der Waldviertler Karpfenteichwirtschaft beleuchtet. Die Publikation beinhaltet einen deutschsprachigen Aufsatz sowie die englischsprachige Abhandlung der Einreichunterlagen für das GIAHS-Programm der FAO. Dabei verspricht man sich seitens des NÖ Teichwirteverbandes eine baldige positive Erledigung durch die FAO. Verbandsgeschäftsführer Kirchmaier hofft, „dass man durch die neu gewonnenen Erkenntnisse weitere Forschungen zu den Waldviertler Teichen anregen kann.“ Er zeigt sich zuversichtlich dadurch die Bedeutung der Waldviertler Karpfenteichwirtschaft noch stärker in der Gesellschaft und über die Landesgrenzen hinaus sichtbar zu machen.
Info - Bärenhaut
Die sogenannte Bärenhaut verdankt ihren Namen dem robusten Bucheinband aus Leder das vom „Saubär“ stammt – gemeint ist das männliche Wildschwein. Ausbau und Betrieb der Karpfenteichwirtschaft spielte für die Zisterzienser zur Fischversorgung während der Fastenzeit eine große Rolle und prägt bis heute die Klosterlandschaften.

Die gratis Sonderschriftenreihe „Waldviertler Karpfenteichwirtschaft“ kann per Mail unter Angabe der Kontaktdaten bei teichwirteverband(at)lk-noe.at bestellt werden. Lediglich Versand- und Vertriebsspesen in Höhe von 5 Euro pro Exemplar werden eingehoben.